Mit diesen Zeilen fängt ein wunderbarer Titel der Fantastischen Vier auf dem Album Fornika an. Sie rappen darüber „Was bleibt“. Und genau mit diesem Song sollte immer meine Spassdoku über unser Kirchweihfest enden. Wer es nicht kennt, hört es Euch beispielsweise hier mal an.
Über Jahre habe ich mir diesen Titel angehört und gedacht: „Wenn ich mal nicht mehr mitmische, aus welchem Grund auch immer, wird es sich genau so anhören. Werde ich genau diesen Song im Hinterkopf haben!“ Wird er mir auf die Schulter klopfen und versprechen, das es immer weitergeht. Wird es so schlimm und depremierend nicht werden.
Den Film gibt es noch nicht, aber ist es Zeit sich vom Vereinsleben zu verabschieden.
Heute Morgen fahre ich unseren Kleinen in den Kindergarten. Spät, wie immer. Der Große besucht seit dieser Woche die 5. Klasse in einer neuen Schule. Wieder ändert sich viel. Alle müssen jetzt früher raus und abends versuchen wir immer noch erfolglos, das Licht früher auszumachen. Streiche SLEEP aus dem romantischen IKEA-Werbespot über „Work-Live-Sleep-Balance“. Den gesunden Schlaf wünscht sich nicht nur die gute Fee im zugehörigen Werbespot.
Wir sind wieder in genau das Hamsterrad gefallen, welches wir endlich umgehen wollten. Selbst körperlich merke ich, das ich Zeitfresser wie Haushalt und Nebenjob kaum mit Familienglück vereinbaren kann. „Ja!“ werdet ihr jetzt sagen „… bei dem riesen Haushalt…“ und ja, ihr habt Recht. Aber darum soll es hier ja nicht gehen.
Ich fahre also unseren Kurzen in den Kindergarten und winke den Ersten Jungs vom Verein zu, die sich anschicken, gleich mit dem Zeltabbau anzufangen. Sie werden buckeln bis zum umfallen, damit der Zeltverleiher mit seinem Gerödel pünktlich beim nächsten Mieter ankommt. Die Jungs und vielleicht ein paar Mädels werden zusammen vom Abfalleimer bis zur Zeltplane wieder den Normzustand auf dem Sportplatz herstellen. Und ich wäre gern dabei – habe mich aber trotzdem dagegen entschieden. Und das tut weh.
Es fühlt sich richtig scheiße an, an etwas nicht mehr teilnehmen zu können, weil man selbst merkt, das es nur noch mit Zwang und Verbiegen geht. Es macht einen alt, wenn man plötzlich aufpassen muss, das man sich nicht überhebt oder verletzt. Es ist eine rationale Entscheidung, das der Urlaub nicht mehr für Auf- und Abbautage eingeplant wird, sondern um Zeit mit der eigenen Familie zu verbringen.
Wir mussten in den letzten Jahren immer öfter zähneknirschend Türen schließen, die uns im Vereinsleben immer offenstanden. Mit WIR meine ich natürlich Christina und mich. Schon die Versammlungen haben wir im Wissen, kaum mehr am drumherum gestalten und aufbauen helfen zu können, gemieden. Wenn ein Auflug anstand, haben wir abgesagt, weil es sich falsch anfühlte, die Sonnenseiten mitzunehmen wenn man nicht auch im Regen zusammensteht. Und mal ehrlich: mit 20jährigen kann man in Punkto feiern auch einfach nicht mehr mithalten…
Obwohl wir uns auch noch persönlich verabschieden werden, muss ich einfach jetzt schon etwas schreiben. Über die Menschen, die in und nach vielen Jahren die Segel gestrichen haben und nur noch als Gast unsere Kirmes besuchen können. Sie haben alle Ihren Teil geleistet und die Kirmes zu dem gemacht, was sie jetzt ist. Ich habe miterlebt, wie aus der kleinen Saalkirmes in der Lore eine Hallenkirmes wurde. Wie wir gezeigt haben, das Mut zu größerem nicht scheitern muss und Großes Bewirken kann. Wir haben jedes Jahr nach Themen geschmückt, renoviert, umgebaut, geschraubt, gepinselt und geschaufelt was das Zeug hielt – und es hat immer Spaß gemacht.
Mit mir als Vorsitzenden ist der Verein abgestürzt. Weil aus dem KANN ein MUSS wurde. Und umso stolzer bin ich, auch die Wiedergeburt als Sommer-Sonne-Zeltkirmes mitgetragen zu haben. Christina und ich haben Max, unseren Großen, damals schon in diese Welt blicken lassen und ihm gezeigt, wie viel mehr als Saufen und Feiern Kirmes bedeutet. Was Freundschaften bedeuten. Das der Kirmesverein wie eine zweite Familie ist. Und wie viel Spaß es macht, sprichwörtlich auf die Pauke zu hauen. Danke Henry!
Im Laufe der letzten 23 Jahre haben sich immer mehr Freunde aus dem Vereinsleben zurück gezogen, Familien gegründet oder sind weggezogen. Oder beides. Sobald du Kinder hast, geht die Uhr anders. Verschieben sich Prioritäten. Sie fragen nicht, wann du schlafen gehst oder wie hart du feierst.
„Jaja,“ werdet ihr jetzt sagen, „die Kinder vorschieben ist ja ehrenwert aber nur das kann es ja nicht sein!“ Ja, das stimmt. Es sind viele Dinge. Ich kann nur von mir sprechen, wenn ich sage, das ich es körperlich auch einfach nicht mehr wegstecken kann. Wie oft waren wir 22 Stunden auf den Beinen, nur um kurz abzunicken und dann ging es wieder volle Kanne weiter. Alte Rampensäue waren wir. Als erstes da, als letztes heim. Unser Freundeskreis Bad Boys for Life.
Jetzt ist kaum noch jemand von früher dabei. Die, die mit uns angefangen haben. Leute wie Lars kommen wieder zurück um die Jungen zu unterstützen und vielleicht auch, um dieses Gefühl, welches einem so ein Verein gibt, noch einmal zu genießen. Wir konnten dieses Jahr wenigstens einen Abend hinter der Theke stehen und unseren Beitrag leisten. Hoffentlich wird es auch wieder mehr. Das würde ich mir wünschen. Denn diese Unterstützung ist wichtig.
Und für die, die die Zügel in die Hand nehmen und das fortführen, was wir einst begannen…
Tatendrang und Selbstbewusstsein allein tragen den Kirmesnachwuchs ja doch nicht im Alleingang über die ganze Distanz. Haben wir die Gäste noch an ganzen 3 Kirmestanzabenden plus Zwischenveranstaltungen wie Antrinken, Disko, Ständchen im Dorf, Kindernachmittag, Kirche am Sonntag Morgen und danach „the legendary Frühschoppen“…) ist heute, mit einer echten Tanzveranstaltung, das Limit erreicht. Das ist kein Vorwurf, die Gäste sind auch schlichtweg zu faul zum weggehen, bleiben lieber zuhause… Und sicher haben wir auch so hart gefeiert… Denke ich… 🙂 Nach den Ständchen mussten wir uns zum Beispiel auch aufwärmen und Kraft tanken… Poolfeten zwischen Ettenhäuser Buben und Samstag-Abend-Tanz waren Ende Oktober einfach nicht drin.
Nicht alles, was wir damals neu gemacht haben, hat unseren Vorgängern gefallen und doch haben wir es gerockt und genauso ist es auch heute wieder. Was wir noch revolutionär fanden ist jetzt auch Asbach Uralt. Und egal ob zu Hause am Abendbrottisch mit den zwei Mini-Necke’s oder zur Kirmes – es ist immer ein Generationen-Ding, das es zu verstehen gilt und mit dem man sich arangieren muss. Ich freue mich, wenn ich heute in die jungen Gesichter blicke die zum Teil den Übergang zur Zeltkirmes schon mitgemacht haben. Wieder andere kennen auch nur die „neue“ Kirmes. Sie können nur erahnen wie es früher gewesen ist.
Ich wünsche Euch alles Gute, wenn ihr die gleichen Fehler macht, die uns damals schon unterlaufen sind.
Ihr werdet im Stillen über uns denken „als wenn die wüssten was für eine Arbeit dran hängt“! Ja… wissen wir. Jedes Jahr war es ein neues Abenteuer. Bei aller Planung gab es immer wieder unvorhersehbare Ereignisse. Wurde das Vorjahr bewertet und ausgeleuchtet. Haben wir Verbesserungen getroffen oder uns von Altem getrennt. Die, die das Feuer jetzt weiter tragen, dürfen sich auch nicht auf Lorbeeren ausruhen, dürfen nicht aufhören etwas Neues zu machen. Eine Kirmes darf nicht nur „reichen“.
Und vor allen Dingen: Macht die Kirmes immer für unseren Ort, unser Dorf! Macht die Kirmes für die Leute, denen ihr jeden Tag auf der Straße begegnen könnt. Diese Menschen sind nicht nur dazu da, Einnahmen zu generieren. Sie sind Eure Gäste unter Eurem Dach. Sie wollen unterhalten werden. Sie wollen sich wohl fühlen. Versetzt Euch in Ihre Lage: sie verlassen ihren Komfortbereich zu Hause um in einem warmen oder klammen Kunststoffzelt Stunden auf Holzbänken ohne Lehne zu verbringen. Wie werden sie sitzen? Ist alles sauber? Zieht es irgendwo? Haben auch die hinteren Bänke noch Sicht? Ist die Musik zu laut oder zu schnell? Ist die Theke immer abgewischt und sauber? Die Klos im Topzustand? Alles gut beleuchtet? Hat der Fleischer genug Auswahl?
Das alles haben wir Älteren Kirmesmädchen und -burschen schon vor 20 Jahren überlegt. Wenn Ihr urteilt oder wertet, dann immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, das ein guter Ratschlag kein Schlag ins Gesicht ist. Das uns immer noch daran liegt, das unsere Kirmes überlebt – anders als es anderen bereits gegangen ist.
Ich wünsche Euch, das immer alles Unfallfrei verläuft. Das immer mehr anständige Leute im Zelt sind als Spinner. Das sich das Zelt an jedem Veranstaltungsabend nicht erst nach 22 Uhr füllt. Die Kirmes dem Dorf gewidmet bleibt und Wärme und Geselligkeit zwischen den ganz Alten und den ganz Jungen auch durch die Kirmes erhalten bleibt.
Denen, die vielleicht bald den Schritt machen, eine Familie zu gründen kann ich nur den Tipp geben: versucht nicht mit aller Gewalt alles unter einen Hut zu bekommen. Dann lebt es sich stressfreier. Es wird sicher bald wieder einen Wechsel an den tragenden Punkten geben, das Leben wartet nicht und irgendwann ist auch die tollste Kirmes mal rum und der Alltag wieder drin. Doch mit unserer Patentochter und deren Clique stehen schon die nächsten Kirmesbräute und Burschen in den Startlöchern. Damit es auch in Zukunft heißt: drei, sechs, neun Tage Kirmes…
Auf jeden Fall möchte ich hier schon mal Danke sagen. Für die vielen, vielen schönen Abende in der Lore, in den beiden Hallen und jetzt auch im Zelt. Am schönsten war es ja doch immer vor der eigentlichen Kirmes zum Aufbau und in den letzten Jahren am Sonntag Abend wenn alles und jeder rum war. Die Abende eher lästige Kür. Das Zwischenmenschliche, die Freundschaften, die gemeinsame Leidenschaft mit anderen Vereinen zu teilen. LKBT, Kanufahren, Weihnachtsfeiern, Fußball, alles was wir miteinander erlebt haben ist und bleibt ein Teil von mir. Ich kann es nicht besser ausdrücken als zu sagen das mich diese 23 Jahre auch zu dem Menschen gemacht haben der ich heute bin. Ob das nun gut oder schlecht ist, muß wohl jeder für sich entscheiden. 🙂
Das mir das Treiben und der Trubel ganz gewaltig fehlen werden, wurde mir bereits dieses Jahr in der Vorbereitung sehr bewußt. Da muss ich jetzt durch. Ich hoffe einfach nur, das Eure Türe auch weiterhin offen steht und wenn es was zu helfen gibt, ihr Euch nicht zu fein seid zu fragen. Mir wird es eine Freude sein, die kommenden Jahre zu sehen wie es weitergeht. Hauptsache es geht weiter. Denn, onse Kirmes – ist ja doch die schenst.