Was macht uns aus? Was ist das wichtigste in unserem Leben? Was begleitet uns von der Geburt bis zum letzten Atemzug?
Familie. Nicht die Freunde, schon gar nicht flüchtige Bekannte, Arbeitskollegen oder Menschen die wir verehren weil sie auf einem anderen Level wie wir leben und agieren. Nein, die Familie ist es. Sie war und ist da, wenn man sie braucht. Sie wächst und sie vergeht. Mit ihr steht und fällt unser Leben. Durch sie erfahren wir Rückhalt und sie spendet Trost wenn mal wieder alles im Argen liegt.
Doch was, wenn da plötzlich eine Leere ist, die nicht durch Tod oder anderen Verlust entstanden ist. Was, wenn ein Loch in Dein Herz gerissen wird, obwohl Du Dir nicht bewusst bist, was Du an welchem Punkt des Lebens auch immer, falsch gemacht hast?
Mit seinem Vater ein angespanntes Verhältniss zu haben, gehört als männlicher Nachwuchs wahrscheinlich dazu. Der Drang, seinem Vater etwas beweisen zu wollen. Ihm mit Taten näher zu kommen. Ihm zeigen zu wollen, was in uns steckt, das ist wohl menschlich und gehört dazu. Man muss es wohl hinnehmen, nie genug zu können. Nie als gleichwertig angesehen zu werden. Unendlich lang auf eine tiefe, ehrliche Anerkennung zu warten. Vielleicht immer darauf zu warten. Bis es zu spät ist. Das wird wohl so sein.
Doch was ist mit der Liebe zur Mutter. Die Liebe, die einem die eigene Mutter entgegenbringt. Die alles in den Schatten stellen sollte und für Dich plötzlich in Frage gestellt wird. War früher ein Streit noch ein Akt des Kräftemessens und wieder Vertragens, ist es heute ein beleidigender Schachzug, der dem vorherigen in nichts nachstehen soll. Kleine Streitereien enden im Schweigen. Kleinigkeiten werden zu Elefantengroßen Ballons aufgeblasen und führen zu keinem Konsens, keiner Lösung, keinem Nachgeben des Anderen.
Ich sitze hier und fühle eine Leere, die ich zu fühlen nie gedacht habe. Höchstens am Ende, wenn alles gesagt und alles getan wurde. Wurde Dir schon mal gesagt, das Du nicht mehr geliebt wirst? Von einer verflossenen, vergangenen Liebschaft vielleicht. Das verheilt. Von einer abgewiesenen Liebensbekundung vielleicht. Auch da wächst Gras drüber. Doch nicht, wenn die eigene Mutter wieder und wieder diese Worte sagt und Dir damit jeden Boden entzieht, den Du doch so dringend brauchst.
Mutterliebe kann wundervoll und doch im nächsten Moment so grausam sein. Als Kind ist Sie der Pfeiler, an dem Du Dein Schiff im Sturm festmachst. Unter deren Decke Du immer Wärme und Geborgenheit, Ruhe und Zuflucht findest. Später sind die Ratschläge der Mutter der Wegweiser, dem die meisten von uns immer noch mehr trauen als jedem Ratschlag, der von aussen kommt. Warum auch sollte Sie uns böses wünschen?
Doch die Mutter wünscht sich schon früh nichts sehnlicher, als das eigene Kind auf eigenen Beinen stehen zu sehen. Jedenfalls sollte sie das. Ich werde wohl nie das Gefühl haben, erwachsen zu sein.Was gut und was schlecht ist, können uns die Eltern am Anfang unseres Weges sicher mitgeben. Doch dann ist da der Punkt, wo wir selbstbestimmt sagen wollen: „Das ist meine Entscheidung“ und diese Entscheidung macht uns Erwachsen. Ich lasse mir auch heute noch gerne von meiner Mutter sagen, was sie für das Beste hält. Doch ich denke kritischer darüber nach. Ich mische meine eigenen Erfahrungen unter ihren Rat. Ich hinterfrage es. Und ich will es auch mal ablehnen. Einfach meine Lehre und meine Konsequenzen ziehen.
Ich habe nie Drogen genommen. Nie gestohlen. Wurde noch nicht verhaftet oder irgendeiner schlimmen Sache angeklagt. Ja, eigentlich bin ich doch ein lieber Junge. Das ist meine Meinung über mich. Und ich versuche mit allen meinen Taten in Einklang zu leben. Den guten und den schlechten. Klar kann ich wie jeder andere ein Arschloch sein. Aber ich sitze nicht mit der Bierflasche arbeitslos morgens um 10 Uhr vorm Fernseher und schaue Assiserien. Ich bin erfolgreich in dem was ich tue. Und ich will mehr. Ich will noch was erreichen, habe nicht genug. Was ist daran verkehrt? Die Menschheit wäre heute nicht da wo sie ist, wenn jeder mit 20 aufgehört hätte „zu wollen“.
Doch ich bekomme immer wieder eingeredet, das ich nicht selber entscheiden kann, was gut und schlecht für mich ist. Ich bekomme es nicht zugetraut, mir was zu trauen. Ich soll mit dem zufrieden sein, was ich habe. Die Entscheidung selber zu entscheiden wird mir nicht gegeben. Warum?
Habe ich nicht einen Job, der mich endlich ausfüllt? Habe ich nicht eine wundervolle Frau die weit mehr ist und weit besser als die ganzen Schlampen da draussen, die ich auch hätte abbekommen können? Ich habe einen Baum gepflanzt, ein Haus gebaut (oh ja, da war ich auch beteiligt) und habe einen wundervollen Sohn gezeugt. Das alles und noch viel mehr müsste doch Beweis genug sein. Müsste doch zeigen, das ich nicht mehr ein Kind oder Junge bin, sondern ein Mann.
Ich habe die Entscheidung, mit meinen Eltern unter einem Dach alt zu werden, gegen jeden Ratschlag gefällt. Mir ist klar was es für Probleme mit sich bringen kann. Doch mir ist auch jeden Tag klar, wie wundervoll es ist, zwei geliebte Menschen bei mir und um mich zu haben, die immer da waren und es auch hoffentlich noch lange sind.
Ich liebe meine Eltern. Und gesagt zu bekommen, das von Ihrer Seite aus diese Liebe erkaltet ist, tut weh. Schlimmer als jeder Schmerz, der Dir zugefügt werden kann. Schlimmer als jede Krankheit, die Dich ereilen kann. Ich hoffe es wird wieder besser. Ich hoffe, eines Tages wird jemand zu mir sagen: „Das hast Du gut gemacht“ oder „Das hast Du richtig gemacht“. Bis dahin warte ich einfach und halte die kleine Flamme der Elternliebe am brennen. In meinem Herz ist sie nicht erkaltet. Und wird sie auch nicht.
bleibt stabil!