Nach über 2 Jahren Kinoabstinenz – tatsächlich war ich zuletzt 2021 im letzten Daniel Craig Bond „No Time to Die“ – sollte mein erstes Wiedersehen mit meiner großen Liebe, dem Kino, ein Horrorfilm sein. DER Horrorfilm 2023.
Ich bin dem Grusel- und Schockerfilm nicht abgeneigt und so war ich doch freudig erregt und sogar ein klein bisschen aufgeregt, was da kommen würde. Von einem Film, der physisch und psychisch an die Grenzen und sogar darüber hinaus geht, wurde im Vorfeld berichtet. Ein neuer Meilenstein. Noch mehr Ekel, noch härter, noch schockierender, tiefer, dunkler, blutiger.
Der Besuch unseres kleinen aber feinen Kinos fiel auf den 5. Mai. Eigentlich nicht meine erste Wahl für einen Abend im Lichtspielhaus. Weil Geburtstag und so… Aber wer kann schon Nein sagen, wenn man die Chance wittert, einen Film zu schauen, der vielleicht in den nächsten Wochen noch auf dem Index landet. (O-Ton)
Nachos mit Käsesauce auf dem Schoß, Spezi und Desperados im Anschlag und los gehts. 94 Minuten Terror. So ein Rezensionstext. Der Reiz an der Angst, am Grusel. Wie die Fahrt mit einer Achterbahn. Man weiß nicht was kommt, aber es soll gefälligst den Magen umdrehen.
Vielleicht lag es am Abend. Vielleicht am Anspruch. Womöglich an Behind the Scenes Material, welches ich schon im Vorfeld zu Genüge geschaut habe. Kann sein, das ich abgestumpft bin und schon zu viel kranken Filmkram gesehen habe…
Achtung, was jetzt kommt, ist nicht ganz Spoilerfrei
Wir beginnen mit eine Vorspann-Sequenz die sich wenig später als zukünftiges Ereigniss entpuppen wird. Es gibt die übliche, wenn auch hier sehr cool eingesetzte „Flugsequenz“ über Stock und Stein, erste abgerissene Körperteile und den genialen Einsatz des Titels in Leinwandfüllenden Lettern. So weit so blutig. Cut. Ein Tag zurück.
Wir lernen Beth kennen, die von einer beruflichen Reise als Gitarrentechnikerin nach Los Angeles kommt um ihre Schwester Ellie zu besuchen. Die lebt mit ihren drei Kindern in einem heruntergekommenen Appartementhaus und wir erfahren erstmal, das Beth die sprunghafte kleine Schwester ist, Ellie von ihrem Mann verlassen wurde und jedes der Kinder für sich schon ein Fall für ein Elterngespräch wäre. In all die familiäre Heimeligkeit knallt unversehends noch ein Erdbeben, welches die wichtigen Fluchtwege des Hauses versperrt und gleichzeitig im Keller einen alten Tresorraum und das allseits beliebte Necronomicon zum Vorschein bringt.
Das Buch der Toten, wer es noch nicht kennt, hat die Macht, Dämonen heraufzubeschwören. Ist in Menschenhaut gebunden und mit Menschenblut geschrieben. Und hier im Design auch sehr innovativ umgesetzt. In der Version 2023 wird der Spruch, um die Teufel zu beschwören, dann noch von einer Schallplatte abgespielt, die in der Vergangenheit von einem Priester aufgenommen wurde (?) und der auch Ursache und Wirkung der Beschwörung detailiert darauf beschreibt. Auftritt: Stimme des Teufels. Der Kinosaal bebt. Die Resonanz, das Brummen und Dröhnen – alles zusammen stimmig und ein bisschen stellen sich sogar die Armhaare auf. Auch Ellies Besessenheit ist gut in Szene gesetzt. Alyssa Sutherland spielt sich quasi die Seele aus dem untoten Leib. Ihr Auftritte und ihr Wahnsinn sind die Kinokarte eigentlich schon Wert. Größten Respekt für diese Leistung. Auch die anderen Schauspieler machen ihre Sache gut und müssen sich nicht verstecken.
Doch Angstgefühle dabei? Eher nicht. Schockmomente? Eher spärlich. Die Nachbarn? Bodycount-Futter.
Einzig die kleine Tochter, die am Ende doch noch überlebt, hat mich mitfiebern lassen. Das war dann aber eher ein väterlicher Beschützerinstinkt und somit als Zuschauergefühl unfair benutzt.
Woran liegt es, das einfach keine beklemmende Stimmung aufkommt?
Viele Kritiker und Liebhaber der Serie schrieben erbost: „Hat der denn keinen der Filme gesehen?“ „Muss es da eine Story geben?“ Und die Antwort lautet ja, muss es, unbedingt. Keiner erwartet ein Oscar-Drama. Aber Filme wie Dont Breathe oder A Quiet Place haben es doch vorgemacht, das Spannung und eine gute Geschichte möglich sind.
Warum wird dieser Tresorraum nicht eher gefunden? Warum zerstört das Erdbeben ausgerechnet die Treppe? Gibt es in dem Haus kaum weitere Mieter? (Kein Spoiler vom Ende!) Wieso lässt sich die einzige Türe, die den Weg freigibt mit nichts öffnen? Was ist mit den Besessenen die zurück auf der Etage bleiben? Wieso wird Beth nicht infiziert, obwohl sie am Ende von Blut besudelt ist? Es gibt viele Fragen die ich mir während der Vorstellung gestellt habe…
Doch bloß weil ich kein Suspense-Grusel-Drama geliefert bekommen habe, war der Film für mich nicht minder unterhaltsam. Es gab ein paar fiese Kills, das Sounddesign ist auffallend Psycho und das Setting auch stimmig genug um die negativen Gedanken schnell beiseite zu schieben. Wenn der Teufel kommt, in Mama Ellie fährt und diese sich von da an in guter, alter Evil-Dead-Manier durch ihre Familie und Nachbarn pflügt – bleibt kein Auge drinnen und kein Boden unbesudelt. Das ist effektvoll umgesetzt, blutig und laut. Ein paar Easter Eggs hab ich auch mitbekommen, die werde ich aber hier sicher nicht vorweg nehmen.
Fazit: Schaut Euch das Gemetzel an, es lohnt sich trotz einiger Mängel. Wer sich schon mal, wie ich, durch die B- und C-… ach was sag ich… sogar D-, E- und F-Sparte der „Horrorfilme“ auf Amazon Prime und Co. gezappt hat, für den ist diese Schlachteplatte ein Leckerbissen. Kopf aus, äh ab… und feiern. Es gibt viel schlechter gemachtes Horrorkino.
Nach dem Reboot und der Serie Ash vs Evil Dead war es Zeit für ein neues Highlight. Ich wollte den Film unbedingt mögen, aber er hat mich nicht gecatcht.
