Wer kennt ihn nicht: Diesen Stich, den man spürt, wenn man durch alte Alben blättert und das Foto der Jugendliebe sieht? Den Treffpunkt, an dem früher einmal der Mittelpunkt der Welt zu sein schien oder die „alles überdauernde beste Freundschaft“ von der nur noch ein jährlicher automatisierter Geburtstagsgruß auf Facebook übrig ist.
Zum meinen sonntäglichen Ritualen gehört seit einigen Wochen auch der Besuch des Dachbodens. Der muss ausgeräumt werden und kann ein Entrümpeln wirklich mal vertragen. Dabei kommt so mancher Schatz zum Vorschein, den man schon lange Zeit aus der Erinnerung gestrichen hat. Alte Briefe sind da nur das Sahnehäubchen – als Beispiele kann ich noch eine Tüte mit Bundeswehrandenken, Masters of the Universe Figuren, einen selbst gebastelten Fred Krüger-Handschuh (mit echten Klingen), die alten Spiele aus DDR-Zeiten, Bücherkisten, Schulhefte, Schulbücher und so weiter aufzählen.
Sehr interessant sind für mich gerade ein paar Kisten mit VHS-Bändern. Ihr wisst schon, das waren diese Plastekassetten mit schwarzen Bandmaterial innen wo man Filme mit einem Videorekorder aufnehmen konnte 😉 Meistens gingen 2 Filme da drauf – damals waren die Werbepausen ja auch noch nicht länger als der Film selber. Auf die restlichen 30 bis 50 Minuten wurde dann noch eigenes Filmmaterial gebannt.
Was da zu finden ist, überstieg jetzt sogar meine Erwartungen: Pseudereportagen vom „Piratensender Malibu“, sinnlose Stunden im Pab-Kinocenter beim Kaffeetrinken, Urlaubsvideos oder Kirmesaufnahmen – Stunden über Stunden Erinnerungen. Besonders interessant finde ich auch die „Übungsvideos“ meiner frühen Regisseur-Karrierepläne. Nicht wie es gemacht wurde sondern was darauf zu sehen ist: Wie habe ich noch vor 15 Jahren gewohnt? Teilweise sind die Aufnahmen ja schon fast 20 Jahre alt… Oha!
Doch die Bänder sind auch nicht mehr lange in dem Zustand, das Bildmaterial zu archivieren – eine Lösung ist da ein so genanntes Video-Capturing. Über Cinch, Scart oder S-VHS geht man vom alten Player direkt in den USB-Eingang des Rechners und nimmt das ganze in Echtzeit digital auf. Simply Clever. Also sitze ich jetzt Abend für Abend an meinem momentanen Behelfsschreibtisch und digitalisiere Erinnerungen.
Gestern fand ich Christinas und meinen ersten gemeinsamen Urlaub. Nur zu zweit an der Cote d’Azur. Gott waren wir da noch jung und unbeschwert. Mir wuchs mit jeder Minute ein Kloß im Hals, den ich mir nicht gleich erklären konnte – aber mit einem Mal wurde mir bewusst, das wir viel von dieser Unbeschwertheit verloren haben und von dem kumpelhaften Umgang, der zwischen uns immer so besonders war. Vielleicht muss man sich solche Erinnerungen viel öfter vor Augen halten. Der tägliche Umgang, Kinder, Streß, Arbeitssituationen, familiäre Probleme – das alles wird von uns hingenommen, überlebt, ad acta gelegt. Mit den Jahren wäscht das Leben einfach die bewahrenswerten Ecken und Kanten unserer Beziehungen glatt und nicht viel bleibt, was wir am anderen so besonders fanden.
Mich hat das ziemlich traurig gemacht. Zu sehen, wie wir früher miteinander umgegangen sind, wie viel Zeit wir übrig und wie wenig Augenringe wir damals hatten.
Und so werde ich mir mal die nächsten 200 Kasetten vornehmen und staunen, was ich finde. Vielleicht kann ich ja einen Zusammenschnitt der besten Szenen mal bringen, ich denke aber, die Zeit alles zu digitalisieren wird schon knapp werden – vom Festplattenplatz gar nicht zu sprechen.
Meine Frau sehe ich jedenfalls wieder mit anderen Augen. Und vielleicht kann ich mir ja etwas von der Unbeschwertheit zurück holen, die mir abhanden gekommen ist. Probieren sollte ich es jedenfalls…
bleibt stabil!