Liebe/r Weihnachtsmann/frau

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Zuerst einmal hoffe ich, das ich Dich ausreichend gendergerecht anspreche… In der heutigen Zeit mit #meetoo und so ist es wichtig geworden, sich nicht mehr festzulegen sondern ALLES ALLEN nur noch schwammig recht zu machen.

Weihnachten steht vor der Türe und Du hast sicher viel zu tun – darum versuche ich mich kurz zu fassen. Ich schreibe Dir, weil ich seit Wochen gezwungen bin, permanent an Dich und das Weihnachtsgeschäft… äh, pardon, das Weihnachtsfest zu denken. Aber ich muss Dich, glaube ich, mal über so einiges in Kenntniss setzen …

Während sich alle auf das Krippenfest freuen um Heilig Abend in der Kirche zusammen Weihnachtslieder zu singen, mache ich mir ehrlich gesagt ein bisschen Sorgen um das Fest der Liebe. Sei es der Wettstreit um den schönsten Lichterschmuck am, im, vorm oder hinterm Haus, die zunehmende Hektik und Kopflosigkeit, welche sich in allen Situationen bemerkbar macht. Oder einfach die Erkenntnis, das man zufällig an einem guten Ort auf der Weltkarte und einem günstigen Zeitpunkt der Weltgeschichte geboren worden ist.

Ich musste keinen Krieg miterleben. Bin behütet, ohne Armut, in der perfekten Klimazone aufgewachsen und habe ein paar der geilsten technischen Erfindungen und Entwicklungen miterleben dürfen.

Warum ich Dir das schreibe? Weil ich im Gegensatz zu den meisten Menschen ein schlechtes Gewissen habe. Weil ich mich tief in meinem Herzen dafür schäme, das es mir gut geht und anderen einfach nicht.

Wusstest Du, das es bei uns Süssigkeiten schon Monate vor Weihnachten palettenweise in den Geschäften zu kaufen gibt? Eine Woche vor Weihnachten sind sogar schon die Schoki-Bestellungen für deinen Kumpel den Osterhasen, im Handel durch. Ab Mitte Januar wird da wirklich schon ausgeliefert. Da staunst Du, oder? Aber, braucht die Welt diesen Überfluss?

Zugegeben, wenn Du so aussiehst wie man sich den Weihnachtsmann eben vorstellt: ein alter, adipöser Mann, unrasiert mit roter Alkoholikernase … dann brauche ich dir ja nicht mit unserer Maßlosigkeit in den Ohren liegen, die wir in den Ländern der ersten Welt Tag für Tag zelebrieren. Wir fressen uns krank während andere vor Hunger sterben.

Hast du schon mal von Zivilisationskrankheiten gehört? Gerade denen, die von sich behaupten besonders zivilisiert zu sein, verfaulen die Zähne, verfettet das Herz. Wenn du in unserer Gesellschaft nicht depressiv wirst oder die Modekrankheit Burnout bekommst ist es sehr wahrscheinlich das du stirbst, weil dein Körper kein Blut durch oder keinen Sauerstoff mehr in deinen Körper pumpen kann. Bevor Du aber jetzt denkst: „Was ist denn mit Euch Menschen los?“ – sei beruhigt! Nicht alle werden Opfer unseres Lebensstils – viele treiben Sport und ernähren sich gesund. Die sterben dann eben irgendwann gesund.

Am traurigsten ist aber, finde ich, das die Menschen vergessen haben, worum es zu Weihnachten eigentlich geht. Bei uns im Dorf wird jedes Jahr das Grippenspiel aufgeführt. Maria, Josef, die Hirten, Könige und das Jesuskind. Du weißt schon. Dieses Christending. Nächstenliebe und so.

Da ist noch ein Anflug von Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl zu spüren. Wenn auch nur für einen Moment. Aber einfach vor die Türe zu gehen und in die Welt zu schauen, glaub mir, da würde selbst ein so optimistisches Wesen wie Du schnell die Haustüre von innen vernageln.

Wenn Du wüßtest, wie degeneriert der Mensch geworden ist. Je mehr Haben auf der einen Seite vorhanden ist, umso weniger Geben wirst Du auf der anderen Seite finden. Leider ist es immer noch so, das die, die am wenigsten haben, am meisten geben.

Wenn wir unseren Kindern sagen: „Der Weihnachtsmann kommt nicht, wenn du nicht artig bist!“ dann ist es nicht nur für uns eine hohle Drohung. Zumindest den älteren Sprößlingen entlockt das höchstens noch ein Wimpernzucken, wenn man mit Geschenkeboykott droht. Viel zu sicher wissen sie um die verzweifelte Lage ihrer Erzeuger, denen am Heiligabend ein Kinderlächeln wichtiger ist als sich durch Erziehung den Familienabend zu verderben.

Ach Weinachtsmann! Wie schön wäre es, wenn es dich wirklich geben würde. Eine Respektsperson, die an diesem Abend in jedes Haus kommt. Demut und Ehrfurcht einfordert, Gute und Böse Taten bewertet und egal ob über Kind oder erwachsenen Menschen – ein Urteil spricht. Schenkt – oder eben nicht. Das wäre ein Spaß.

Doch um unsere Kinder und die verzeihbaren Aufreger soll es ja nicht gehen. Eher um die Gesellschaft an sich. Deren einzige Aufgabe es geworden ist, eigene Interessen immer vornan zu stellen. Selbst an Wohltätiger Stelle wird im Innern doch auch nach Anerkennung gesucht. Es wird geschoben und gerangelt. Immer vorne zu sein, immer erster, ob im Beruf oder an der Kasse im nächsten Supermarkt.

Egal was wir geschaffen haben, wir sind nicht in der Lage vernünftig damit umzugehen. Religion? Gute Idee, schlechte Entwicklung. Wirtschaft – an der Grenze. Medizin und Technik – steht sich selber im Weg. Politik und Gesellschaft – reden wir nicht darüber…

Der Mensch selber wird ja gar nicht mehr als Individuum gesehen. Eher eine Entität als eine Seele. Ist er uns bekannt ist er trotzdem mindestens ein Konkurrent. Ist er unbekannt sicher eine Gefahr. Kann er mir einen Vorteil verschaffen oder ist er für mich nutzlos? Warum ist der ANDERE ANDERS als ich? Anstand und Hilfsbereitschaft bleiben viel zu sehr auf der Strecke. Ich erlebe kaum noch, das sich jemand wirklich Gedanken über einen anderen Menschen oder sein Gegenüber macht. Da wird eher angeblafft als hinterfragt. Wenn etwas nicht funktioniert, wird der Mensch dafür verantwortlich gemacht, nicht das Problem gesucht und eine zweite Chance gegeben. Werden Schuldzuweisungen ausgesproch anstatt Lösungen zu finden.

Dem Menschen selber ist das eigene Kind natürlich nicht egal, er ist aber zu wenig oder gar nicht fähig, Verantwortung zu übernehmen für den Begriff Zukunft. Also setzt er lieber leichtfertig sein Erbe auf´s Spiel…

Der Mensch vergiftet die Umwelt und denkt nicht an die eigene Nahrung. Der Mensch beginnt Kriege denn ihm ist das Leid anderer egal. Er sieht den Schmerz im Fernsehen und schaltet ab, wenn es ihn zu sehr berührt. Er spendet für arme Kinder, aber er will das wahre Leid nicht kennenlernen. Er sieht weg, wenn es wehtut. Er entwickelt Medikamente, die heilen könnten, lässt das Geld aber entscheiden, was mit seinem Schaffen geschieht. Er entwickelt saubere Energieformen und lässt sich von Konzernen in Nischen drängen. Er macht Politik und versteht nicht, das das Volk sich jederzeit erheben und nein sagen kann. Er riskiert alles, ist aber nicht im Stande Verantwortung zu übernehmen. Alles in Allem ist der Mensch von heute das größte Arschloch in der Geschichte unseres Planeten. So wie wir über Kriege und Idiotie der Vergangenen tausend Jahre den Kopf schütteln, werden unsere Nachfahren (so es welche geben wird) fassungslos auf die Trümmer schauen, die wir ihnen hinterlassen. Vielleicht werden sie weinen – ganz sicher aber werden sie fragen: „Warum?“

Wenn es etwas gab, was die Welt früher zusammen gehalten hat, dann war es der Gedanke daran, etwas zu schaffen für die Zukunft. Man hat Kathedralen über Jahrzehnte gebaut und hätte sicher nicht diese Ausdauer gehabt, wenn man nicht „etwas hinterlassen möchte für die die noch kommen“. Was hinterlassen wir? Eine traurige, hektische Welt, digital und ungreifbar. Dafür aber endlich. Denn das, was der Mensch heute schafft, schwebt im Raum. Werte die nur berechenbar sind, aber nicht fassbar. Den digitalen Kollaps überlebt die Menschheit nicht in Gänze. Übrig bleiben die, die Bücher lesen können. Sie werden Häuser bauen können. Felder bestellen und Tiere züchten. Und an Heiligabend einen kleinen Baum im Wald schlagen, ihn schmücken und mit ihren Lieben zusammen sitzen. Und vielleicht überlegen, was schief gelaufen ist – und wer dafür verantwortlich war.

Ich freue mich trotzdem auf den 24. Dezember, oder anderorts wird ja zum Beispiel der 6. Januar  gefeiert.  Doch egal ob man Dich Santa Claus, Väterchen Frost, Weihnachtsmann oder Papai Noel nennt, Kindern auf der ganzen Welt bist Du in irgendeiner Form bekannt. Sie freuen sich auf Dich. Und wir Großen halten uns an dem Gedanken fest, das es etwas gibt, das älter ist als Smartphone und Netflix. Besser als Alexa und Virtuelle Realität. Etwas vertrautes. Das man auch gerne mit in die Zukunft nimmt.

Mach Deinen Job so weiter, es gibt viel zu wenige wie Dich.

man liest sich!
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